
Kalk schützen
Wer glaubt, dass in einem als „Kalkputz“ deklarierten Produkt auch tatsächlich Kalk enthält, der irrt. Und zwar gewaltig.
Vor einigen Jahren haben wir uns intensiv mit der Frage beschäftigt, was ein Kalkputz eigentlich enthalten muss, um als solcher verkauft werden zu dürfen. Die Antwort ist ernüchternd – und ein Paradebeispiel dafür, wie sehr sich Normen, Produktmarketing und Realität voneinander entfernen können.
Die Ausgangslage:
Auf dem Markt finden sich unzählige sogenannte „Kalkputze“, die mit den bekannten Vorteilen von Kalk werben – diffusionsoffen, schimmelhemmend, wohngesund, nachhaltig. Doch schaut man genauer hin, erkennt man schnell: Viele dieser Produkte enthalten mehr Zement als Kalk, dazu eine ganze Reihe chemischer Zusatzstoffe – von Hydrophobierungsmitteln über Kunstharze bis hin zu Filmbildnern.
Und trotzdem steht auf dem Sack groß: „Kalkputz“.
Keine Regel, kein Grenzwert, keine Transparenz
Wie kann das sein? Wir haben damals nachgehakt – und folgende schriftliche Antwort vom Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr erhalten:
„Der Verband für Dämmsysteme, Putz und Mörtel e.V. (VDPM) teilte mir mit, dass es tatsächlich keine Norm, Merkblätter oder dergleichen gibt, in welchen die Zusammensetzung von Kalkputz definiert ist. Wie bei Produktnormen üblich, sind auch bei den Putzmörtelnormen (hier EN 998) nur Leistungseigenschaften wie z.B. Trockenrohdichte oder Druckfestigkeit normativ geregelt. Alles Weitere, wie eben die Zusammensetzung, ist der Verantwortung der Hersteller überlassen. Damit widerspricht das, was Sie bislang beobachteten (deutlich unter 5,0 M.-% Kalkhydratanteil) keinen technischen Regeln. Nach meiner Wahrnehmung besteht nach Ansicht des Verbandes aber auch kein Bedarf an einem „strengeren“ Regelwerk.“
– Dr.-Ing. Johann Eicher, Bayerisches Staatsministerium
Konkret heißt das:
Es gibt keine verbindliche Regel, die festlegt, wie viel Kalk ein Kalkputz enthalten muss – nicht einmal eine Mindestmenge! Ein Produkt kann also rein formal als Kalkputz verkauft werden, selbst wenn der Kalkanteil unter 3 % liegt und der Rest aus Zement, Füllstoffen und Zusätzen besteht.
Solche Produkte sehen aus wie Kalkputz, verarbeiten sich wie Zementmörtel – und haben mit echtem Kalkputz (Naturkalkputz) so viel gemeinsam wie ein Instant-Cappuccino mit einem handgemachten italienischen Espresso.
Wer profitiert – und wer die Zeche zahlt
Profiteure dieser Praxis sind vor allem die Hersteller, die mit wohlklingenden Produktnamen werben – während sie in Wahrheit günstige, schnelle Mischungen mit Kalkanteil X anbieten. Der Verbraucher wird getäuscht, der Handwerker verunsichert und der Markt für echten Naturkalk wird systematisch verdrängt.
Die Vorteile von reinem Naturkalk – wie natürliche Alkalität, echte Diffusionsoffenheit, hohe Reversibilität und schadstofffreie Raumluft – sind in solchen Mischprodukten nicht mehr gegeben. Dennoch wird genau damit geworben. Und das ist, in aller Deutlichkeit: irreführend.
Unsere Forderung: Ein Qualitätssiegel für echten Naturkalk
Wir setzen uns deshalb für Transparenz und Klarheit im Kalkmarkt ein. Unser Ziel ist ein unabhängiges Qualitätssiegel, das eindeutig kennzeichnet:
- Welche Produkte tatsächlich aus reinem Naturkalk bestehen
- Welche frei von Zement und chemischen Zusätzen sind
Denn nur so können Bauherren, Planer und Handwerker eine informierte Entscheidung treffen – und mit gutem Gewissen zu einem Produkt greifen, das hält, was es verspricht.
Wir brauchen Regeln – keine Werbefreiheit
Derzeit besteht kein technischer oder rechtlicher Zwang, Kalkprodukte sauber zu deklarieren. Und das wird sich auch nicht ändern, solange die Industrie ihr eigenes Regelwerk gestaltet – mit Normen, die sich nur an Leistungseigenschaften wie Druckfestigkeit orientieren, nicht aber am, nun ja: Inhalt.
Es ist höchste Zeit, dass wir das ändern. Echter Kalk braucht eine klare Definition, klare Grenzwerte – und ein Siegel, dem man vertrauen kann.
Dafür setzen wir und ein – daran arbeiten wir aktuell.